Medienkampagne gegen Google Street View
„Google kennt Ihre Wohnung“ titelt die Münchner TZ mitte der Woche. Die Autoren des Beitrags schüren damit weiter die Angst vor Datenmissbrauch und beweisen damit einmal mehr ihre Unkenntnis sowohl der Google-Werkzeuge als auch der gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Cui bono? Immerhin hat sogar das Münchner Kreisverwaltungsreferat mit einem ordentlichen Datenskandal auf sich aufmerksam gemacht – Adressdaten von Briefwählern sind an dubiose Adresshändler verhökert worden. Diesbezügliche Stadtratsanfragen scheinen mehr oder weniger im Sande verlaufen zu sein.
Die nächste Volkszählung steht im Raum – auch wenn das Kind anders getauft werden soll. Angeblich werden die dabei erhobenen Daten ausschließlich zu statistischen Zwecken benötigt, eine Zuordnung der Daten zu Personen werde gelöscht, so Innenminister Thomas de Maizière. Dass das erst nach vier Jahren (!) erfolgen soll, muss er bei den vielen Interviews zu diesem Thema vergessen haben.
Auch dass das gemeine Volk allerorten von staatlichen Kameras verfolgt wird, ist kein Thema. Und ganz im Gegensatz zu Google, weiß die Bevölkerung nicht, was letztlich mit diesen Daten passiert.
Da ist es ganz nützlich, wenn man auf Dritte einschlagen kann und Google war hier schon immer ein veritables Objekt des „Volkszorns“. In anderen europäischen Ländern ist Google-Streetview längst ein akzeptierter und gern genutzter Teil der Google-Werkzeuge, so schüttelt man z.B. in Frankreich belustigt den Kopf über das deutsche Geschrei. Dass sich Google mit seinem Dienst streng an die gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Länder hält, wird hierzulande ebenfalls gern verschwiegen.
Bei „Street View“ entdecken deutsche Politiker plötzlich den Datenschutz – und verkennen dabei völlig die bestehende Gesetzeslage, auch bekannt unter dem Sammelbegriff der Panorama- oder auch Straßenbildfreiheit, die in § 59 des Urhebergesetzes geregelt ist:
„Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.“
Weitere Bildrechte, wie z.B. Eigentums- oder Hausrechte sowie Persönlichkeitsrechte z.B. von Bewohnern oder Passanten werden von Google-Streetview berücksichtigt. Speziell für Deutschland hat die Suchmaschine Technik und -Richtlinien noch einmal überarbeitet und biete die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Aufnahmen von Haus und Hof einzulegen. Gesichter und Autokennzeichen werden ohnehin wirksam verfremdet.
Die selbsternannten Datenschützer müssen sich fragen lassen, gegen welche Gesetze Google mit der Veröffentlichung von Straßenbildern verstößt und wessen Interessen bei der Ablichtung von Fassaden verletzt werden. Dass der Google-Dienst einen hohen nicht nur touristischen Informationswert und einen immensen Nutzen für die Internetgemeinde hat, wird gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Wenn es um den Datenschutz geht, gäbe es in diesem unseren Land wahrlich ein dutzend andere dringende Baustellen. Die hierzulande vorherrschende Maschinenstürmer-Mentalität („Neue Technik ist böse“) ist wenig zukunftsorientiert und geradezu standortschädigend.
Jedoch verwundert es nicht, dass die klassischen Printmedien die Anti-Streetview-Kampagne massiv unterstützen, ja anführen – wie die Bildzeitung vom Freitag eindrucksvoll beweist („Aufstand gegen Google“ – von wem eigentlich?). Das Internet im Allgemeinen und Google im Besonderen kassieren immer mehr Marktanteile der Zeitungsverlage, da geht es also zunächst einmal um knallharte wirtschaftliche Interessen. Dass die Springers, Burdas und Co. die von der Politik losgetretene Sommerlochkampagne dankbar aufgreifen, sorgt aus diesem Blickwinkel für tiefes Verständnis aus den Reihen der Internetgemeinde.