Bürokratie als Belastung: Wie wirkt sich das auf kleine und mittelständische Unternehmen aus?

Stellen Sie sich vor: Herr Müller, Inhaber eines kleinen Handwerksbetriebs, sitzt nach einem langen Arbeitstag an seinem Schreibtisch. Statt sich auf die Planung neuer Aufträge oder die Weiterentwicklung seines Unternehmens zu konzentrieren, kämpft er sich durch einen Stapel Formulare – Steuererklärungen, Förderanträge, Nachweise für die Berufsgenossenschaft. Stundenlang muss er Dokumente ausfüllen, anstatt seiner eigentlichen Leidenschaft nachzugehen. Am Ende bleibt die Frage: Wann bleibt Zeit für das eigentliche Geschäft? Solche Szenarien sind keine Seltenheit – insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sehen sich regelmäßig mit umfangreichen administrativen Aufgaben konfrontiert. Doch was sind die Ursachen dieses Problems, welche Konsequenzen ergeben sich daraus und welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um dieses Problem zu lösen?

Der Grund für das beschriebene Szenario liegt in der Bürokratie. Doch was bedeutet Bürokratie eigentlich? Sie bezeichnet ein System von formalen Regeln, Vorschriften und Verfahren, das dazu dient, Unternehmen zu strukturieren. Ziel der Bürokratie ist es, Transparenz, Rechtssicherheit und Effizienz zu gewährleisten sowie Prozesse zu standardisieren. In ihrer idealen Form trägt sie dazu bei, die Zusammenarbeit zu ordnen, Verantwortlichkeiten klar zuzuweisen und eine faire, transparente sowie nachvollziehbare Entscheidungsfindung sicherzustellen, was langfristig zu mehr Stabilität und Verlässlichkeit führt.

Allerdings bringt Bürokratie für kleine und mittelständische Unternehmen auch zahlreiche negative Auswirkungen mit sich. Ein wesentlicher Aspekt ist der erhöhte Verwaltungsaufwand. Unternehmer müssen viele administrative Aufgaben, wie Steuererklärungen, Förderanträge und Nachweise, für den Staat erledigen. Dies führt dazu, dass KMU-Inhaber durchschnittlich etwa 14 unbezahlte Überstunden pro Woche leisten müssen, um diese Aufgaben zu bewältigen. Ein weiteres Problem sind die hohen Kosten, die durch die Bürokratie entstehen. Die lassen sich in direkte und indirekte Kosten unterteilen. Direkte Kosten können genau berechnet werden, wie etwa Ausgaben für zusätzliches Personal. Indirekte Kosten entstehen oft als Nebenwirkungen, beispielsweise durch Verzögerungen in der Bearbeitung. Zusammen ergeben diese Kosten eine enorme finanzielle Belastung. Im Jahr 2024 beliefen sich die Gesamtkosten durch Bürokratie auf etwa 146 Milliarden Euro. Ein weiteres ernstzunehmendes Problem sind die verzögerten Entscheidungsprozesse. Aufgrund von bürokratischen Hürden sind Unternehmen oft nicht in der Lage, flexibel und zeitnah auf Marktveränderungen zu reagieren, was die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft erheblich beeinträchtigen kann.

Dabei gibt es bereits Lösungsansätze und Gesetze, die kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen sollen. Eine mögliche Entlastung würde die Digitalisierung des bürokratischen Systems bieten, da viele Verwaltungsprozesse effizienter und schneller erledigt werden könnten. Auch eine Deregulierung oder eine Senkung der Kosten wäre ein sinnvoller Schritt, um die Bürokratiebelastung zu verringern. Zudem hat die Regierung bereits mehrere Gesetze zur Unterstützung von KMU verabschiedet. Ein Beispiel ist das Gesetz zur „Vereinfachung der Meldepflichten“ (BEG 1-4), das darauf abzielt, die bürokratischen Anforderungen zu reduzieren, indem unnötige oder komplexe Meldungen, wie Steuererklärungen, Umweltschutz- und Emissionsberichte oder Sicherheitsmeldungen, vereinfacht oder gestrichen werden. Besonders sinnvoll ist das in den Branchen wie Wirtschaft, Gesundheitswesen und Finanzen, um Zeit und Kosten zu sparen. Ein weiteres Beispiel ist das Onlinezugangsgesetz (OZG), dass den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen online vereinfachen soll, was Bürokratie und Prozesse beschleunigt, besonders in der Verwaltung und der Wirtschaft. Dies soll vor allem die Digitalisierung vorantreiben.

Letztendlich gilt: Kleine und mittelständische Unternehmen werden durch die Bürokratie mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Trotz der bereits bestehender Lösungsansätze und Gesetzte bleiben viele Probleme weiterhin ungelöst. Die Frage, ob diese Probleme in Zukunft gelöst werden können, hängt davon ab, inwieweit die angekündigte Digitalisierung tatsächlich umgesetzt wird. Der Erfolg dieser Bemühungen wird entscheidend dafür sein, wie sich die bürokratische Belastung für KMU in den kommenden Jahren entwickelt.

Lia

Bild: Franz26