Brasilien im Aufschwung
Brasilien. Schon der Name zaubert vielen von uns ein Lächeln ins Gesicht, wer denkt da nicht an endlose Palmenstrände, Karneval, schöne Frauen und leichtes Leben. Obgleich alles genannte mehr als zutreffend ist, ist das große Land im Süden des amerikanischen Kontinents mittlerweile ein wirtschaftlicher Riese, der mehr zu bieten hat, als ein bisschen Tourismus und Vergnügen für zahlungskräftige Europäer.
Brasilien ist ein Land voller Widersprüche – und jetzt ist auch noch ein Wirtschaftswunder hinzugekommen. Das Bruttoinlandsprodukt ist im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent gewachsen, im Vorjahr waren es gar 7,7 Prozent. Sowohl in den Metropolen als auch in Provinz- und Peripheriestädten ist ein Bauboom ausgebrochen. Überall herrscht ein geschäftiges Treiben – aber anders als in China oder anderen von europäischen Unternehmen bevorzugten verlängerten Werkbänken scheint die Teilhabe der Allgemeinheit am wirtschaftlichen Erfolg größer: Mächtige Gewerkschaften sorgen für vergleichsweise ordentliche Löhne, aber auch Klein- und mittelständische Betriebe bezahlen ihre Angestellten vernünftig, der wirtschaftliche Aufschwung erreicht so auch untere und unterste Schichten.
Der Brasilianer verfügt über Einkünfte – und die wollen ausgegeben werden. Das Land aber nur als neuen, riesigen Absatzmarkt zu betrachten, wäre recht kurzsichtig. Die europäisch geprägten südlichen Bundesländer produzieren Stückzahlen und Qualität, die der mitteleuropäischen Wirtschaft durchaus das Wasser reichen kann. Gut ausgebildete und gut bezahlte Spezialisten sorgen dafür, das der Wirtschaftsmotor am Laufen bleibt, das Schul- und Universitätssystem im Süden des Landes darf als vorbildlich bezeichnet werden.
Zudem bieten sich Unternehmensgründern Bedingungen, von denen man hierzulande nur träumen kann: Überschaubare Steuern, kaum Reglementierung, dafür aber auch keine bürokratisch gesteuerten Fördertöpfe. Man muss aber auch keine Millionen in die Hand nehmen, um eine florierende Firma aus der Taufe zu heben, die typischen Unternehmereigenschaften reichen in der Regel aus.
Einige dieser Durchstarter durfte ich auf meiner Brasilienreise kennenlernen, ganz besonders ins Herz geschlossen habe ich Valmor Dandolini, Kleider- und Hemdenhersteller aus Blumenau in Santa Catarina, der an verschiedenen Standorten Konfektionsbekleidung von herausragender Qualität produziert. Unter der Marke VALMOR kommt vom Garn über die Stoffherstellung bis zum Endprodukt alles aus seinem Haus, in nur viereinhalb Jahren hat Dandolini ein Unternehmen mit rund 400 Mitarbeitern aufgebaut. Startkapital war im Übrigen das verkaufte Auto der Ehefrau.
Modernste Maschinen, flache Organisationshierarchien, aber auch ein bestechendes Qualitätsmanagement und hohe soziale Standards sorgen in dem Familienunternehmen Valmor Indústrial Têxtil Ltda für motivierte Mitarbeiter und hochwertige Produkte, die in ganz Brasilien, aber auch in die USA und nach Europa verkauft werden. Dabei wird alle 4 Monate eine neue Kollektion ins Leben gerufen, damit toppt der Blumenauer mit italienischen Wurzeln sogar Bekleidungsriesen wie C&A oder H&M – die zudem unter menschenunwürdigen Bedingungen in China und Südostasien produzieren lassen.
Dandolini gehört zu einer Unternehmergeneration, die in den letzten Jahren dazu beigetragen haben, Brasilien von einem „Dritte-Welt-Land“ an die wirtschaftliche Weltspitze zu katapultieren. Andererseits bietet der wirtschaftlich gesunde Süden des Landes beste Bedingungen für eine florierende Unternehmensentwicklung, teilweise mit Rahmenbedingungen, von denen deutsche Unternehmer nur träumen können.
Gleichwohl hat Brasilien noch große Aufgaben vor sich – ganz besonders bei Infrastruktur, Umweltschutz, aber auch bei der Beseitigung von nach wie vor unfassbaren sozialen Missständen – besonders in den Mega-Metropolen wie São Paulo oder Rio de Janeiro. Aber Brasilien ist keine Bananenrepublik, sondern eine gestandene Demokratie und ein Land, das von seinen Bewohnern geliebt wird. Und mit mittelständischen Unternehmern wie Valmor Dandolini kann die Zukunft des riesigen Landes für alle gewinnbringend gestaltet werden.
Michael Schmidt (derzeit in Blumenau SC Brasil)